Eigenversorgung (fast) ohne Netz
Gut Gerkenhof: Eigenversorgung (fast) ohne Netz
E3/DC-Technik unterstützt einzigartiges Regelungskonzept zur Nulleinspeisung
Wie ein großes Landgut mit Pferde- und Rinderzucht energetisch nahezu autark werden kann, haben Holger Laudeley und E3/DC auf dem Gerkenhof in Kirchlinteln bewiesen. Das Stromnetz vor Ort ließ eine am Energiebedarf orientierte große PV-Anlage mit Speichern eigentlich nicht zu. Realisiert wurde sie trotzdem: Das von Laudeley entwickelte Nulleinspeisungs-Konzept setzt neue Maßstäbe für die Energiewende im ländlichen Raum.
Fakten im Überblick:
- Photovoltaik: 174 kWp Gesamtleistung mit einer EEG-Bestandsanlage (2014, 30 kWp)
- Stromspeicher: 3 x E3/DC Quattroporte LINEA XXL, Gesamtkapazität 156 kWh
- Wechselrichter: 10 x externer E3/DC-Solarwechselrichter
- Wärmetechnik: Scheitholzkessel
- Windanlage (geplant): 30 kW Leistung
Der Gerkenhof, südwestlich von Bremen gelegen, verbindet die Tradition von Landwirtschaft und Pferdezucht mit modernster Energietechnik. In den Wohn- und Wirtschaftsgebäuden kommt ein Jahresstrombedarf von rund 250.000 kWh zusammen, den der Betreiber künftig fast vollständig aus eigenen regenerativen Anlagen erzeugen will – der Umwelt zuliebe, aber auch, um die Betriebskosten deutlich zu senken.
Im Frühjahr 2019 begann in Kirchlinteln ein neues Energiezeitalter: Der Hof verfügt nun über eine Photovoltaikleistung von insgesamt 174 kWp. Darin enthalten ist eine 30-kWp-Anlage mit Netzeinspeisung aus dem Jahr 2014, hinzu kommt demnächst noch eine Windenergieanlage mit 30 kW Leistung, deren Jahresertrag mit rund 64.000 kWh prognostiziert wird. Zum Konzept gehören eine 156-kWh-Quattroporte-Speicherfarm und zehn Wechselrichter von E3/DC, die wesentliche Regelfunktionen im System übernehmen.
Vom Stromnetz strikt getrennt
Zu den meisten Eigenversorgungskonzepten gehört die Einspeisung von Überschüssen. Nur muss das Netz vor Ort dafür auch geeignet sein, und hier stieß Laudeley an infrastrukturelle Grenzen. Denn die für hohe Autarkie nötige PV-Leistung ließ sich nicht einfach ans Netz anschließen – ein Mittelspannungs-Trafo hätte dafür auf Kosten des Investors installiert werden müssen. „Der gesamte Betrieb wäre damit unter die Mittelspannungsrichtlinie gefallen und alle weiteren Anlagenbauten wären erschwert worden“, betont Laudeley. Die Lösung war einfach und komplex zugleich: Einfach die Entscheidung, auf Einspeiseerlöse zu verzichten und sich stattdessen auf die Eigenversorgung zu konzentrieren, komplex hingegen das nötige Regelungs- und Messkonzept für die Nulleinspeisung, das schließlich noch vom Netzbetreiber abgenommen werden musste.
Entstanden ist etwas bisher Einzigartiges: „Es ist das erste Mal, dass wir ein Nulleinspeisungs-Konzept realisiert haben“, berichtet Laudeley: „Sobald die Überschusseinspeisung droht, weil die Häuser versorgt und die Speicher voll sind, werden die Erzeugungsanlagen abgeregelt“. Nur die Altanlage speist weiterhin etwa 15.000 kWh jährlich ins Netz ein. Die übrige Erzeugung ist wie der Ertrag der des neuen, größeren Modulfelds für den Eigenverbrauch vorgesehen. Dem Nulleinspeise-Prinzip wird auch die künftige Windenergieanlage unterworfen sein: Überschüssige Leistung wird abgeregelt – und damit ähnelt das Konzept durchaus dem gesteuerten Betrieb von Kraftwerken, nur auf einer sehr viel kleineren Ebene. Weil künftig alle Fahrzeuge des Gutshofs schrittweise elektrifiziert werden sollen und damit mehr steuerbare Lasten ins Spiel kommen, dürfte der Abregelbedarf jedoch immer weiter sinken. Der Netzanschluss des Gerkenhofs dient jedenfalls nun ausschließlich für einen geringen Netzbezug von 10.000 bis 20.000 kWh in den Wintermonaten, so hat es Laudeley berechnet.
Ein zukunftsweisendes Konzept sei hier umgesetzt worden, betont Dr. Andreas Piepenbrink, Geschäftsführer von E3/DC: „Das ist die Zukunft der erneuerbaren Energien: Man braucht intelligente Wechselrichter und intelligente Speicher, die man beliebig skalieren und erweitern kann – und die miteinander kommunizieren. Dass Entwicklungsziel muss sein, dass erneuerbare Erzeuger miteinander einen Kraftwerksverbund bilden, wie wir ihn von den klassischen Energieversorgern kennen.“
156 kWh Quattroporte-Speicher
Das Herzstück der Eigenversorgung ist auch auf dem Gerkenhof ein Speichersystem, das die solare Erzeugung mit dem über den ganzen Tag verteilten Verbrauch in Einklang bringt. Laudeley hat hier eine Farm aus drei Quattroporte Linea mit jeweils 52 kWh installiert. Neben der Gesamtkapazität von 156 kWh bietet der AC-Gewerbespeicher eine maximale Ausspeiseleistung von 36 kW und eine Dauerleistung von 27 kW. Damit lässt sich der Bedarf des Gutshofs decken, wenn die Sonne nicht liefern kann. Die Wandlung des Solarstroms übernehmen intelligente Wechselrichter von E3/DC, die Laudeley in das Regelkonzept zur Nulleinspeisung integriert hat. Die gesamte Anlage ist künftig auch auf eine Notstromversorgung ausgelegt und kann bei wachsendem Energiebedarf erzeugungs- wie speicherseitig erweitert werden – die Gedanken des Gutshofbesitzers gingen bereits in diese Richtung, so Laudeley.
Last und Leistung sekündlich im Blick
Eine PV-Anlage, die bei schwacher Solarstrahlung ausreichend Energie liefert, wird in Spitzenzeiten so viel Strom erzeugen, dass auch der große Speicher nichts mehr aufnehmen kann. Um sicherzustellen, dass in dieser Situation keine Einspeisung stattfindet, wird auf dem Gerkenhof der Netzanschlusspunkt über einen Messwandler von E3/DC im Sekundentakt überwacht. Das gleiche gilt für alle zehn Wechselrichter, denn die gesamte Anlage muss auf der Ebene der Einzelkomponenten regelbar sein, um jede akute Lastanforderung sofort aus der PV-Anlage oder aus dem Speicher bedienen zu können, zugleich aber jegliche Einspeisung ins Netz vollständig zu vermeiden. Zur Sicherheit ist das Regelungssystem redundant ausgelegt, damit im Notfall nicht die Sicherungen ausgelöst werden und den Betrieb des Gutshofs lahmlegen. Die Gesamtanlage verfügt über einen Zweirichtungszähler, sodass die Nulleinspeisung dem Netzbetreiber gegenüber nachgewiesen werden kann, zugleich aber bei Bedarf Strombezug aus dem Netz möglich ist.
Für Dr. Andreas Piepenbrink ist das Gerkenhof-Projekt ein Musterbeispiel für autarke Energieversorgung: „Man hat hier Photovoltaik zugebaut, um Kosten einzusparen, nicht um Strom zu verkaufen. Ein Novum bei Gewerbeanlagen dieser Größenordnung ist die hochschnelle, modulare und sichere Regelung mit einem entsprechenden Messkonzept. Auf dieser Basis konnte die EWE Netz grünes Licht geben für das Anlagenkonzept.“ In diesem Sinne zählt das Projekt also auf der Habenseite der Energiewende: Es konnten fast 150 kW Solarstromerzeugung zugebaut werden, ohne die Netzinfrastruktur mit hohen Investitionen anpassen zu müssen.