„Wir wollen die Solarfassade voranbringen“
Das Schweizer Architekturbüro arento ag baut Plusenergiehäuser mit Photovoltaikanlagen an der Fassade und auf dem Dach, mit Wärmepumpe und Stromspeicher. Bei dem jüngsten Projekt, dem Mehrfamilienhaus „StadtparkPLUS“, kann dank der gebäudeintegrierten Photovoltaik-Fassadenanlage und des E3/DC-Speichersystems im Winter die Hälfte des Energiebedarfs für Wärme, Strom und ein Elektroauto solar gedeckt werden.
Die arento ag verfolgt seit vielen Jahren ein Ziel: Die Inhaber Franz Schnider und Matthias Sauter bauen Häuser, die mehr Energie erzeugen, als die Bewohner verbrauchen. Dafür setzen sie auf große Photovoltaikanlagen, die sie mit einer Wärmepumpe und einem Stromspeicher kombinieren. Vor etwa sechs Jahren ist ein zweites Anliegen dazu gekommen: Die Gebäude sollen nicht nur eine Plusenergiebilanz über das Jahr erreichen, sie sollen auch im Winter real einen großen Teil des Energiebedarfs mit Solarstrom decken. So sind Schnider und sein Team auf die Solarfassade gekommen. Seit Dezember 2021 ist das dritte Gebäude bezugsfertig, bei dem sie mit Photovoltaik an den Fassaden gearbeitet haben: der „StadtparkPLUS“. Ein Energiespeichersystem von E3/DC trägt dazu bei, dass im Winter etwa 50 Prozent des Strombedarfs für Wärme, Strom und ein Elektroauto solar gedeckt werden können.
Rund 20 Plusenergiehäuser hat arento bisher geplant und errichtet. Davon haben zwei Gebäude große Photovoltaikflächen an der Fassade. Ein weiteres Projekt war ein 13-stöckiges Hochhaus aus dem Jahr 1968. Arento hat dieses 40 Meter hohe Gebäude saniert und an den Süd-, Ost- und Westfassaden Solarstrommodule installieren lassen. Zur gleichen Zeit baute arento in Wetzikon den „SonnenparkPLUS“, ein vierstöckiges Mehrfamilienhaus mit Solarmodulen an den Balkonbrüstungen und auf dem Flachdach. Es ist seit 2018 bewohnt. Seit kurzem ist nun auch das jüngste Bauvorhaben, der StadtparkPLUS, ein Mehrfamilienhaus mit vier Eigentumswohnungen, abgeschlossen.
Materialmix mit Holzbalkonen und Solarfassade
In Wetzikon, einer Stadt mit rund 25.000 Einwohnern im Kanton Zürich, fällt der StadtparkPLUS schon optisch aus dem Rahmen. Die Häuser in der Umgebung haben weiße, gemauerte Fassaden, dazu ein Satteldach mit braunen oder rötlichen Ziegeln. Bei manchen wurde nachträglich eine PV-Anlage auf dem Dach montiert. Das neue Mehrfamilienhaus dagegen hat eine graue, gläserne Fassade, die sich erst bei näherem Hinsehen als Photovoltaikanlage entpuppt. Daneben befinden sich große Balkone aus Lärchenholz.
Die Balkone sind ein Zugeständnis an die ökologische Bauweise, die Schnider und sein Team bevorzugen. Wann immer möglich, bauen sie mit ökologischen Materialien wie Holz, Lehm, Schafwolle, Kork und anderen recyclingfähigen Materialien. Die Holzständerbauweise war hier allerdings nicht möglich, da das Grundstück von Straßen umgeben ist und in der Nähe Bahngleise verlaufen. Besserer Schallschutz war nötig, deshalb fiel die Entscheidung auf Massivbau – dann aber wenigstens Balkone aus Holz, beschlossen die Architekten.
Fassadenanlagen reduzieren Netzstrombedarf im Winter
Die monokristallinen Module auf der Süd- und Süd-Ost-Fassade sind nur ein Teil der Strom erzeugenden Anlagen. Auf dem Flachdach, hinter einer Attika versteckt und von der Straße aus nicht sichtbar, befindet sich eine flach aufgeständerte Solarstromanlage. Doch Schnider betont: „Mit Photovoltaik nur auf dem Dach erreicht man vielleicht ein Plusenergiehaus, braucht im Winter aber immer noch viel Strom aus dem Netz.“ Das wollten sie ändern, zumal Solarstrom auch im Winter bei tiefem Sonnenstand gut geerntet werden kann. Dafür braucht es allerdings eine andere Modulneigung als die übliche flache Neigung von 10 bis 30 Grad. arento beschloss, zusätzlich Module an Fassaden zu installieren. Wenn die Sonne im Winter tief steht und viele PV-Dachanlagen mit Schnee bedeckt sind, liefern die Fassadenanlagen mit ihrem 90 Grad Winkel umso mehr Solarenergie. Das reduziert den Netzstrombedarf im Winter und die Anlagen produzieren mehr Überschussstrom, der in das öffentliche Stromnetz eingespeist werden kann. „Wir betrachten das als Beitrag zur Klimaneutralität“, resümiert Schnider.
Für die Planung der Energietechnik arbeitet arento mit Windgate Energietechnik zusammen, einem Generalunternehmer für regenerative Anlagen. Die frühzeitige Einbindung eines Fachbetriebes für Erneuerbare-Energien-Anlagen empfiehlt Schnider auch anderen Architektur- und Planungsbüros. So können bauliche und energetische Anforderungen frühzeitig aufeinander abgestimmt und im weiteren Planungsprozess von Anfang an berücksichtigt werden.
Und das ist das Ergebnis: Der StadtparkPLUS ist ein Mehrfamilienhaus mit 480 Quadratmeter Wohnfläche, verteilt auf vier 4,5-Zimmer-Wohnungen, errichtet nach dem Minergie-P Standard. Dies ist der anspruchsvollste der auf niedrigen Energieverbrauch abzielenden Minergie-Standards in der Schweiz, er entspricht in etwa dem Passivhaus-Standard in Deutschland.
Individuell gefertigte Photovoltaikmodule
Für die Stromerzeugung sind Photovoltaikmodule mit 16,36 Kilowatt (kW) Leistung in die Süd- und Süd-Ost-Fassade integriert. Damit die Flächen bestmöglich genutzt werden, hat die arento ag, die auch der Bauherr ist, Module in neun verschiedenen Formaten individuell anfertigen lassen. So ergibt sich eine optisch ansprechende, homogene Fläche. Zusätzlich zu der Fassaden-Anlage sind auf dem Dach Module mit 20,14 kW Leistung aufgeständert.
Die Anlagen mit 36,5 kW Gesamtleistung erzeugen laut Berechnungen rund 30.000 Kilowattstunden Strom im Jahr. Der Solarstrom wird von den vier Haushalten und für die Anlagentechnik inklusive Erdsonden-Wärmepumpe soweit wie möglich direkt genutzt. Arento stellt den Bewohnern außerdem fünf Jahre lang kostenfrei ein Elektroauto zur Verfügung. Dieses und weitere Fahrzeuge können über E3/DC-Wallboxen in der Tiefgarage geladen werden.
Die Wärme für die Raumheizung und das Warmwasser erzeugt eine Erdsonden-Wärmepumpe. Sie kann nicht nur heizen, sondern auch kühlen. Im Sommer werden die Wohnungen mit minimalem Energieaufwand über die Lehmwände auf rund 23 Grad gekühlt.
Strom, der gerade nicht benötigt wird, wird in dem Speichersystem Quattroporte 2 x MAX XXL des Herstellers HagerEnergy zwischengespeichert. Die Akkus bieten 46,8 Kilowattstunden nutzbare Speicherkapazität.
Den Strombedarf in dem Gebäude hat arento mit ca. 24.000 kWh pro Jahr berechnet. Davon soll möglichst viel über die Photovoltaikanlagen gedeckt werden. Durch die Zwischenspeicherung in den E3/DC-Energiespeichern wird die Autarkiequote knapp 66 Prozent betragen.
50 Prozent Solarstrom im Winter
Laut Simulation können die Photovoltaikanlagen im Winter etwa 50 Prozent des Energiebedarfs solar decken, was vor allem durch die Fassadenanlagen möglich ist. Schnider weist aber darauf hin, dass dies Berechnungen sind und man die Ergebnisse in der Praxis abwarten müsse. Schwankungen seien normal, da es in Wetzikon viel Nebel gibt.
Auf die Baukosten hat sich die Fassadenanlage auch ausgewirkt, noch dazu, da die Module in neun Formaten individuell für arento angefertigt wurden. Schnider hält diese Mehrkosten für gerechtfertigt: „Aus Sicht unserer Kinder und Enkel ist es auf keinen Fall zu teuer.“ Allerdings, so räumt er ein, müsse man bedenken, dass die Anlagenkosten auf vier Wohnungen umgelegt wurden. Bei mehr Wohnungen, wie es zum Beispiel beim SonnenparkPLUS der Fall ist, wird es entsprechend günstiger je Wohnung.
An dem Konzept mit Photovoltaik-Fassaden will er auf jeden Fall festhalten: „Wir wollen Solarfassaden voranbringen, sie können eine wichtige Rolle bei der Energiewende in der Schweiz spielen.“ Jede Fassade, welche der Sonne zugewandt ist, könne wertvolle Energie ernten, so Schnider. „Je höher und je unbeschatteter diese sind, umso mehr sollten sie auch genutzt werden.“ An den Produkten kann es auch nicht scheitern: „Immer mehr Hersteller bieten Produkte für PV-Fassaden an. Es gibt viele gute Möglichkeiten.“ Und sollte eine gebäudeintegrierte Fassade nicht möglich sein, wie es in der Bestandssanierung häufig der Fall ist, gibt es immer noch die Option der vorgehängten Solarfassade.